۱۳۸۹ فروردین ۳, سه‌شنبه



http://www.zeit.de/2010/12/Iran-Machtkampf-Atomstreit?page=1


IRAN
Was auf uns zukommt

Wie geht der Machtkampf in Iran weiter? Und wie der Atomstreit zwischen dem Land und dem Rest der Welt? Vier Szenarien für das Jahr 2011.






Die politischen Entwicklungen in Iran können wir nicht voraussagen, noch nicht einmal die kurzfristigen. Szenarien für einen überschaubaren Zeitraum dürften realistischerweise aber noch immer von der Islamischen Republik Iran handeln – auch wenn mit Veränderungen innerhalb des Staates zu rechnen ist. Szenarien sind keine Prognosen, sie stellen eher verschiedene mögliche Entwicklungen dar. Deshalb erklären Szenarien Politikern auch nicht, worauf sie sich vorbereiten müssen, können ihnen aber helfen, Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die auf den ersten Blick unwahrscheinlich erscheinen.

Stark vereinfacht lässt sich sagen, dass zwei wesentliche Variablen in näherer Zukunft entscheidend sein werden. Die erste betrifft die Stärke des iranischen Regimes. Sie ergibt sich aus seiner Legitimität, seinem inneren Zusammenhalt und der Verfügbarkeit materieller Ressourcen. Die zweite Variable ist die der äußeren Konflikte, nicht zuletzt der Verlauf des Atomstreits. Stellen wir uns eine Grafik vor: Auf der horizontalen Achse bildet die Variable »Regimestärke« ein Kontinuum zwischen Konsolidierung und Fragmentierung ab, auf der vertikalen Achse reicht die Bandbreite der »äußeren Konflikte« von militärischen Auseinandersetzungen bis hin zur Konfliktbeilegung zwischen Iran und den Vereinigten Staaten. Damit ergeben sich vier Szenarien. Keines der hier vorgestellten Szenarien ist »extrem« in dem Sinne, dass es einen offenen Krieg zwischen Iran und Israel oder Iran und den Vereinigten Staaten unterstellt. Denn hier sollen die kommenden eineinhalb bis zwei Jahre in den Blick genommen werden – und das ist ein Zeitraum, in dem alle wichtigen Akteure noch viele andere Optionen ausprobieren werden. Wie also könnte sich die Lage bis 2011 entwickeln?

Szenario 1: Wagenburg

In diesem Frühjahr wird klar, dass ein Nuklearabkommen nicht zustande kommt. Iran hat den von der sogenannten 5-plus-1-Gruppe (die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland) und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) vorgelegten Vorschlag zum Tausch iranischen Urans gegen Brennstäbe für den Versuchsreaktor in Teheran abgelehnt; die USA erklären iranische Gegenvorschläge für inakzeptabel. China ist schließlich bereit, eine relativ milde neue Sanktionsresolution im UN-Sicherheitsrat mitzutragen. Die beschlossenen Maßnahmen beziehen sich vor allem auf Wirtschaftskontakte mit iranischen Unternehmen, die direkt am Ausbau der Nuklearanlagen beteiligt sind. Darüber hinaus kündigen die USA und die Europäische Union an, dass sie ihren Handel mit Iran weiter zurückfahren werden; Russland hält stillschweigend Waffenlieferungen zurück. China gibt zu Protokoll, dass man weiter Spielraum für eine Verhandlungslösung sieht und dass nicht unmittelbar »proliferationsrelevante« Sanktionen auch in näherer Zukunft keine Option seien. Allerdings erklärt das chinesische Ölunternehmen Sinopec, dass es einen früher geschlossenen Vertrag über den Bau einer Erdölraffinerie in Iran nun doch nicht einhalten könne.

Als Iran gegen Ende des Jahres bekannt gibt, dass man in der neuen Anreicherungsanlage in Fordo in der Nähe der Stadt Qom eine erste Kaskade von Zentrifugen installiert habe und im März 2011 einen Probelauf unternehmen werde, einigt der Sicherheitsrat sich rasch auf eine weitere Sanktionsresolution. Neue, schärfere Sanktionen betreffen die iranische Schifffahrt und den Luftverkehr und untersagen bestimmte industrielle Ausfuhren nach Iran. Dies bringt die iranische Ökonomie zwar nicht zum Stillstand, bedeutet aber schwere Belastungen für die Privatwirtschaft und fördert illegalen Handel, der zum größten Teil von einer Gruppe innerhalb der Revolutionären Garden kontrolliert wird.

Präsident Mahmud Ahmadineschad hatte ursprünglich beabsichtigt, ein Abkommen mit der 5-plus-1-Gruppe zu schließen. Eine Verständigung mit der internationalen Gemeinschaft, insbesondere mit den USA, hätte ihm geholfen, einen Teil der innenpolitischen Akzeptanz zurückzugewinnen, die er durch die Niederschlagung der Proteste nach den Präsidentschaftswahlen 2009 verloren hatte. Außenpolitische Entspannung hätte zudem die schwierige wirtschaftliche Lage verbessern können. Nach dem Scheitern der Verhandlungen ändert er seinen Kurs jedoch. Er hat verstanden, dass seine Gegner in der politischen Elite ihm einen solchen Erfolg nicht erlauben werden. Deshalb spielt er nun die populistische Karte. Damit hat er durchaus Erfolg: Die Führer der Opposition und seine Gegner innerhalb der konservativen Elite erklären ihre Solidarität mit der Regierung, dies insbesondere nachdem der israelische Ministerpräsident mit militärischen Angriffen gegen Iran gedroht hat.


Eine unerwartete Entwicklung in diesem Szenario wäre ein begrenzter israelischer Luftschlag, der den Anreicherungsprozess in Iran eine Zeitlang unterbrechen würde. Wahrscheinlich dürfte Washington die israelische Führung allerdings davon abhalten. So oder so: Anfang 2011 scheint eine größere Konfrontation in der Luft zu liegen. Die Iraner fühlen sich zunehmend isoliert, weil ausländische Investoren um ihr Land einen großen Bogen machen. Die Opposition aber sieht sich gezwungen, die Reihen mit der Regierung zu schließen. Die innere Lage scheint stabil.Dass sich die Opposition im Namen der nationalen Einheit hinter die Regierung stellt, hat noch einen weiteren Grund. In Iran wächst zum einen die Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten und andere westliche Mächte hinter wiederholten gewaltsamen Vorfällen in der Region Balutschistan stecken. Zum anderen macht man Präsident Obama den Vorwurf, seine anfänglichen Bemühungen um eine gerechte Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts wieder aufgegeben zu haben. Massendemonstrationen zur Verteidigung der Islamischen Republik gegen Bedrohungen aus dem Ausland scheinen den Geist patriotischer Einheit widerzuspiegeln. Zugleich stagniert die Zahl der tatsächlich arbeitenden Zentrifugen in der iranischen Atomanlage Natans. Vorschläge aus der Türkei und aus China, zum Zwecke der Vertrauensbildung doch auch öffentlich zu erklären, dass man das Nuklearprogramm oder zumindest dessen Ausbau temporär einfriere, werden allerdings ignoriert.



Szenario 2: Blockade

In diesem Szenario verläuft die Entwicklung des Atomkonflikts ähnlich wie im ersten, nur schränken bereits die in diesem Frühjahr beschlossenen Sanktionen Finanztransaktionen mit Iran und die Versicherung iranischer Schiffe ein. Weil sich die Banken aller G-20-Länder daraufhin weigern, für den Handel mit iranischen Partnern Akkreditive zu eröffnen, gehen die Ausfuhren nach Iran rapide zurück. Die wirtschaftliche Lage in Iran verschlechtert sich deutlich.

Auch kommt es an verschiedenen Universitäten erneut zu Studentenprotesten, die sich gegen die Überwachung durch die paramilitärische Basidschi-Miliz richten. Zwar gelingt es der Polizei, die Ruhe wieder herzustellen. Anhaltende Unruhe in den Provinzen Sistan-Balutschistan und Kurdistan bekommen die Sicherheitskräfte aber kaum noch in den Griff. Die politische Elite zeigt ihre Unzufriedenheit mit Präsident Ahmadineschad immer deutlicher. Dies geht so weit, dass das Parlament Anfang 2011 den Budgetentwurf für das neue Haushaltsjahr ablehnt. Als Ahmadineschad daraufhin droht, seine Haushaltsvorhaben trotzdem durchsetzen zu wollen, entzieht das Parlament den Ministern für Finanzen, Wirtschaft und Energie das Vertrauen.

Auch der geistige Führer, Ajatollah Ali Chamenei, scheint über das Missmanagement des Präsidenten zunehmend verärgert. Im Fernsehen ist Chamenei immer öfter mit Parlamentspräsident Ali Laridschani zu sehen, der als moderater Konservativer gilt. Derweil hat die Hohe Repräsentantin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik noch ein paarmal Versuche unternommen, einen diplomatischen Dialog zur Atomfrage in Gang zu bringen. Allerdings gelingt es ihr nicht einmal, mit Irans Außenminister oder mit dem Nationalen Sicherheitsberater in Kontakt zu kommen. Das iranische Regime wirkt zunehmend dysfunktional. Sowohl die Iraner wie auch ausländische Beobachter warten auf ein Ereignis, das wieder Bewegung in die Verhältnisse bringt.



Szenario 3: Militärherrschaft

Das dritte Szenario könnte sich aus dem zweiten entwickeln. Die internationale Aufmerksamkeit für das Thema Iran lässt seit diesem Frühjahr nach. Teils ist dies eine Folge von Krisen in anderen Teilen der Welt, teils liegt es daran, dass das iranische Atomprogramm durch einige schwere Störfälle zurückgeworfen worden ist. Dazu gehört eine Reihe unerklärter Explosionen in einer Konversionsanlage und einer Fabrik für Zentrifugen. Die innenpolitische Lage gerät weiter außer Kontrolle. Die Opposition bereitet sich auf Massendemonstrationen zum zweiten Jahrestag der Präsidentschaftswahl von 2009 vor. Eine Versammlung von Geistlichen in der heiligen Stadt Qom protestiert gegen die politische Unterdrückung. Ein paar Tage darauf stürmt eine Gruppe von Basidschi-Milizionären eine andere Zusammenkunft von Klerikern in der Stadt. Etliche Geistliche müssen danach ins Krankenhaus eingeliefert werden. In Teheran und anderen Städten brechen spontane Solidaritätsdemonstrationen aus; namhafte Geistliche fordern den geistigen Führer auf, in den Konflikt einzugreifen und die Anführer der Basidschi-Miliz zu entlassen. Dieser reagiert darauf jedoch nicht.

Zuspitzen würde sich dieses Szenario durch eine schwere Erkrankung des geistigen Führers: Im Land munkelt man, Chamenei liege bereits auf dem Totenbett. In dieser Situation bricht ein offener Machtkampf aus. Der Vorsitzende des Expertenrats, Ali Haschemi Rafsandschani, der mit dem Präsidenten verfeindet ist und zu Chamenei ein gespanntes Verhältnis unterhält, ruft zur Vorbereitung der Wahl eines neuen Führers den Rat zusammen. Daraufhin riegeln die Revolutionsgarden den Sitz des Expertenrates ab, um die Sitzung zu verhindern. So soll auch Rafsandschanis Versuch unterlaufen werden, die Nachfolge Chameneis zu seinen eigenen Gunsten zu entscheiden.

Der Kommandeur der Revolutionsgarden ruft die Gründung eines Komitees zur Rettung der Islamischen Revolution aus, das vorläufig die Funktion des geistigen Führers übernimmt. Das Parlament wird aufgelöst, Präsident Ahmadineschad verlässt das Land, um sich in Venezuela einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Das »Rettungskomitee« entsendet seinen interimistischen Außenminister nach Riad, Moskau, Paris und Wien, um die regionalen und internationalen Mächte davon zu überzeugen, dass die Dinge in Iran unter Kontrolle sind. Dennoch werde die Übergangsregierung einige Monate brauchen, bevor sie sich offenen diplomatischen Fragen widmen könne.



Szenario 4: Entspannung

Um einen Sanktionsbeschluss des UN-Sicherheitsrats abzuwenden, erklärt die iranische Regierung sich nach Beratungen mit chinesischen und türkischen Regierungsvertretern doch noch bereit, eine überarbeitete Form des von der IAEO vorgeschlagenen Abkommens über die Weiterverarbeitung iranischen Urans im Ausland zu akzeptieren. Die USA sehen selbst keinen Anlass zu neuen Verhandlungen. Sie erklären sich aber bereit, eine Übereinkunft zwischen der IAEO und Iran zu akzeptieren, auch wenn diese nur zu einem Minimalkonsens führt, der Spielraum für weitere diplomatische Bemühungen geben könnte. Tatsächlich einigen iranische Diplomaten sich mit den Experten der IAEO auf eine gesichtswahrende Formel: Iran wird 800 Kilogramm seines leicht angereicherten Urans in die Türkei liefern, um es sechs Monate später gegen in Argentinien produzierte Brennstäbe für den Forschungsreaktor in Teheran einzutauschen. Die iranische Regierung verspricht zudem, freiwillig wieder die Regeln des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag einzuhalten, sobald die Brennstäbe in Iran einträfen.

Diese Wendung wurde möglich, nachdem Ahmadineschad Ajatollah Chamenei davon überzeugen konnte, dass eine Übereinkunft mit der IAEO im iranischen Interesse sei: Schließlich bedeute sie, dass die Verhandlungspartner implizit das Recht der Iraner anerkennen, selbst Uran anzureichern. Ferner könne der Abschluss des Abkommens nicht nur neue Sanktionen verhindern, sondern auch zur Aufhebung der bereits bestehenden beitragen. Auf diese Weise könne die Übereinkunft die wirtschaftliche Lage in Iran verbessern.

Das Abkommen wird im Mai 2010 unterzeichnet, und die Vorbereitungen zu seiner Umsetzung laufen an. Kurz darauf beginnen Treffen zwischen Experten aus den Vereinigten Staaten und Iran, um die ausstehenden finanziellen Forderungen Irans an die USA festzustellen. Ebenfalls diskutiert werden nun Verfahren, die zur Einrichtung einer amerikanischen Visastelle in Teheran führen könnten, um unter anderem mehr iranischen Studenten als bisher zu ermöglichen, in den USA zu studieren.